Vorsorge

Länger leben, anders arbeiten

Bernadette Höller verrät im Interview, worauf es bei der agilen Laufbahngestaltung ankommt und was Unternehmen tun können, um die Weichen im Generationenmanagement richtig zu stellen.

Wie definieren Sie Spass an der Arbeit? 

Für mich ist es wichtig, dass ich morgens gerne zur Arbeit gehe und dass ich das Gefühl habe, dass es das braucht, was ich mache und ich die Dinge positiv beeinflussen kann. Gerade haben wir zum Beispiel «Your Stage – das Festival zu Arbeitswelten 60plus» gemeinsam mit der Berner Fachhochschule organisiert. Die Vorbereitungen waren sehr intensiv, aber wenn ich dann sehe, was in den drei Tagen alles an kreativen Lösungen für unsere länger werdende Lebensarbeitszeit entstanden ist, dann gehe ich zufrieden ins Wochenende und freue mich aufs Weiterschaffen.

Sie begleiten Menschen, die ihre beruflichen Träume verwirklichen. Wechseln heutzutage viele Menschen ihren Beruf?

Wir sehen einen Trend zu Laufbahnmodellen abseits oder in Ergänzung zur klassischen linearen oder vertikalen Karriere mit einem Ende von 100 auf 0. Zum Beispiel geben Führungskräfte gegen Ende der regulären Laufbahn vorzeitig Verantwortung ab, schlüpfen in eine neue Rolle oder verwirklichen parallel zur Anstellung eigene Projekte. Oder man gestaltet die Laufbahn von Anfang an mit Verschnauf- und Lernphasen oder einfach Phasen, wo man den Fokus ändert und beginnt vielleicht auch mal etwas ganz Neues mitten in Leben. Wenn wir künftig Lebens- und Arbeitszeit nicht mehr so stark trennen und 60 oder 70 Jahre in verschiedenen Formen tätig sind, dann ist viel Platz für eine Entwicklung, die zu uns passt. In der Zukunftsforschung geht man davon aus, dass junge Leute, die heute ins Berufsleben einsteigen, mindestens achtmal den Beruf wechseln werden und die Karrieren eher wellen- oder spiralförmig aussehen. 

Und wie geht beruflich neu starten?

Wenn man in der Situation ist, dass man neu starten muss oder den Wunsch für eine berufliche Veränderung hat, dann empfehlen wir ein agiles Vorgehen. Dazu gehört auch, sich immer wieder zu reflektieren, um die Situation zu verstehen, frischen Ideen Raum zu geben und dann im Sinne des «Life Designs» Prototypen zu bauen, um danach schlauer zu sein als davor. Dieses Vorgehen ermöglicht uns übrigens auch, Routinen zu ändern, die uns nicht gut tun. Manchmal ist es gar nicht die Arbeit selbst, die freudlos ist, sondern wir gestalten den Alltag an unseren Bedürfnissen vorbei. Bei einem kompletten Neuanfang – gerade, wenn man nicht mehr 27 Jahre alt ist – spielt auch die finanzielle Situation und der Ausblick auf die Absicherung im Alter eine grosse Rolle. Wir schlagen immer vor, dass man sich mit einer Expertin oder einem Experten bespricht und eine Finanzplanung macht, insbesondere dann, wenn es Richtung Selbstständigkeit geht.

In Betrieben sind unterschiedliche Generationen beschäftigt. Wie ergänzen sich diese?

In den meisten Unternehmen sind vier Generationen beschäftigt. Noch einige Baby-Boomer (Jahrgänge 1946 und 1964), je rund 35% Gen X sowie Gen Y und eher noch wenige Gen Z (ab 1996) mit knapp 12%. Ich würde an dieser Stelle ungern sagen: Die Älteren sind so und die Jüngeren sind so und deswegen ergänzen die sich. Dadurch werden direkt Stereotype verstärkt und produziert. Jeder Mensch kann altersunabhängig veränderungsbereit, kreativ und je nach Kontext langsam oder schnell und noch vieles mehr sein.

Die Macht liegt heute vor allem bei der Generation X (Jahrgänge 1965 bis 1980) und immer mehr auch bei der Generation Y (zwischen 1981 und 1995 Geborene). Genau diese Gruppe möchte ich einladen, ihre Macht so einzusetzen, dass sie die Themen altersunabhängige Entwicklungsmöglichkeiten, psychologische Sicherheit in Teams sowie das wechselseitige voneinander Lernen diverser Generationen, voranbringen. 

Bernadette Höller, Beratung & Geschäftsführung loopings.ch

Mit welchen Herausforderungen sind Betriebe konfrontiert? 

Die grösste Herausforderung ist sicher, dass bis 2029 über eine Million Menschen das reguläre Pensionsalter erreichen und es weniger Personen auf dem Arbeitsmarkt geben wird. Das heisst: über den Erfolg einer Organisation entscheiden in Zukunft noch mehr Human Ressources Themen. 

Es ist aber zu beachten, dass nicht in allen Berufen das Risiko eines Fachkräftemangels besteht. Deswegen ist es seitens der Organisationen wichtig, die Situation zu analysieren und zu erkennen, wo künftig ein Mangel besteht und wo unter anderem durch Upskilling, die Vereinfachung von Quereinstiegen und mit Arbeitsmodellen 65plus gegengesteuert werden kann. Und um die Mitarbeitenden mit Profilen, die es künftig weniger oder nicht mehr braucht, muss ich mich auf der anderen Seite natürlich auch kümmern.

Welches sind die Handlungsfelder im Generationenmanagement?

Das ist in jedem Unternehmen anders. Man muss sich überlegen, wo man hinmöchte, aber auch analysieren, wo Handlungsbedarf be- oder entsteht. Grundsätzlich empfehle ich, nicht auf Good Practice aus anderen Unternehmen zu warten, sondern einfach mal loszulegen und Massnahmen gemeinsam mit Mitarbeitenden zu entwickeln. Wenn wir gemeinsam mit Unternehmen ein strategisches Generationenmanagement aufbauen, dann sind das die Handlungsfelder, die man beleuchten kann: Altersstruktur und strategische Personalplanung, Arbeitsmarktfähigkeit und agile Laufbahngestaltung, Lebenslanges Lernen, Arbeitsmodelle 65+, Digitalisierung und Wandel der Berufsbilder sowie Zusammenarbeit, Wissenstransfer und Führung in altersgemischten Teams.

Wie finden wir über ein längeres Berufsleben Erfüllung?

Indem wir uns und unsere Bedürfnisse, unsere Talente und unsere Träume sehen und ernst nehmen und mit anderen darüber sprechen. Ausserdem sollten wir häufiger als uns lieb ist, unsere Komfortzone verlassen und versuchen neugierig bleiben.

 

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