Vorsorge

Arbeiten nach der Pensionierung: Darf ich? Soll ich? Muss ich?

Dr. Jonathan Bennett vom Institut Alter der Berner Fachhochschule erklärt im Interview, welche Motive Menschen im Ruhestand bewegen, länger zu arbeiten.

Herr Dr. Bennett, statistisch nimmt der Anteil älterer Arbeitnehmender stetig zu, jener der jüngeren stetig ab. Was bedeutet das für unsere Volkswirtschaft und unsere Sozialwerke? Insbesondere für unsere AHV?

Wenn der Schweizer Arbeitsmarkt stabil bleibt, wird die Nachfrage das Angebot an verfügbaren Arbeitskräften übertreffen. Einerseits kommen die letzten Jahrgänge der sogenannten Baby-Boomer ins Rentenalter und das Verhältnis von Personen im Arbeitsmarkt zu jenen in der Nacherwerbsphase verschiebt sich deutlich. Weniger Erwerbstätige sind für die Finanzierung der Renten von mehr und länger lebenden Rentnerinnen und Rentnern zuständig. Dies ist vor allem in der AHV relevant, weil die aktiven Erwerbstätigen die Renten der Pensionierten finanzieren. 

Andererseits ist unsere Lebenserwartung deutlich gestiegen und die Rente wird uns länger ausbezahlt. Das ist eine Herausforderung für unser System der Altersvorsorge.

Welche Hebel könnten angesetzt werden, um den bedeutenden Pfeiler Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) zu stützen?

Über einen – umstrittenen – Hebel haben wir kürzlich abgestimmt. Durch eine Erhöhung des Referenzrentenalters kommt die AHV zu Mehreinnahmen und einer verkürzten Bezugsdauer von Renten. 

Ein anderer Punkt, über den seltener diskutiert wird, ist, dass die Produktivität der Erwerbstätigen im Lauf der Zeit stark zugenommen hat. In weniger Zeit wird somit mehr Arbeit geleistet und der Wert der Arbeit nimmt zu. Dies drückt sich in höheren Löhnen aus und trägt ebenfalls zu Mehreinnahmen für die Altersvorsorge bei, denn die Lohnempfangenden erhalten mehr und können deshalb auch mehr abgeben.

Insgesamt ist die Situation unserer Altersvorsorge stark von der wirtschaftlichen Gesamtsituation und der Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten am Arbeitsmarkt abhängig. Eine politische Frage ist zudem, ob die Finanzierung der Altersrenten in erster Linie über Lohnabgaben erfolgt oder ob dafür auch andere Finanzierungsquellen (z.B. Steuermittel) verwendet werden sollen.

Wie sieht die Altersvorsorge der Zukunft aus? 

Es ist davon auszugehen, dass flexible Modelle, wie eine Kombination von Erwerbstätigkeit und Rentenbezug, häufiger werden. Die entsprechenden Flexibilisierungen in der AHV 21 gehen ja bereits in diese Richtung. Ausserdem ist damit zu rechnen, dass die Bedeutung der dritten Säule zur Sicherung des bisherigen Lebensstandards zunehmen wird. Diese Form des Sparens setzt aber bereits ein gutes Einkommen voraus. Zudem ist das Referenzrentenalter in der Schweiz im internationalen Vergleich eher tief. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass wir über weitere Anhebungen und damit tendenziell eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit diskutieren werden. 

 

Dr. Jonathan Bennett, Co-Leiter des Instituts Alter an der Berner Fachhochschule (BFH)

Welche Motive bewegen ältere Menschen, länger zu arbeiten?

Einerseits die Freude an der Arbeit. Arbeit ist für viele Menschen auch eine Quelle von Sinn und ein Ort, an dem soziale Kontakte gepflegt werden können. Man erfährt durch Arbeit auch Wertschätzung und fühlt sich gebraucht. Natürlich gibt es auch finanzielle Gründe für eine Weiterarbeit. Dies gilt für Personen mit tiefen Einkommen oder Menschen mit längeren Unterbrüchen in der Erwerbsbiografie (sehr oft Frauen). Ebenfalls gilt dies vermehrt für Selbstständige. Manche Personen möchten auch einen zu abrupten Übergang von der Erwerbs- in die Nacherwerbsphase vermeiden und ziehen in einem ersten Schritt eine Teilpensionierung vor. Alleinstehende Personen arbeiten zudem auch häufiger länger, ebenso wie Personen mit jüngeren Partnern oder Partnerinnen.

Wie sieht die Realität aus? Wie viele Rentnerinnen und Rentner sind in der Schweiz erwerbstätig? 

Es sind rund 20% der Personen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren erwerbstätig. Das BFS erhebt die entsprechenden Zahlen in seiner Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE). Aus genannten Gründen gehen wir davon aus, dass diese Zahl in den nächsten Jahren weiter steigen wird.

Trifft die Aussage zu, dass ältere Menschen sich eher einschränken, als über Armut zu sprechen?

Ein bekanntes Phänomen ist, dass bezugsberechtigte Menschen bestimmte Sozialleistungen nicht in Anspruch nehmen. Die Gründe dafür sind vielfältig, zum Teil fehlt es am nötigen Wissen, jedoch ist Angst vor Stigmatisierung sicherlich auch ein Faktor.

Können Sie der Empfehlung, sich frühzeitig zum eigenen Ruhestand Gedanken zu machen, beipflichten?

Absolut. Es ist allerdings – wie ich aus eigener Erfahrung weiss – weit schneller gesagt als getan. Für meine persönliche Finanzplanung habe ich mich beraten lassen. Aber mit den sogenannten weichen Faktoren tue ich mich schwer ((lacht)). Viele Betriebe bieten inzwischen Seminare zum Thema Pensionierung an. Oft geht es dort in erster Linie um die finanzielle Vorausplanung und nicht um die Frage des Weiterarbeitens. Wichtig ist, dass Arbeitnehmende, die sich ein Weiterarbeiten im Rentenalter vorstellen können, aktiv und frühzeitig das Gespräch mit ihrem Arbeitgeber suchen.

Und wie sieht es mit Ihrer persönlichen Vorsorge aus?

Planen Sie diese frühzeitig und erfahren Sie im Rahmen einer kostenlosen und unverbindlichen Standortbestimmung, wie Sie Ihre Vorsorgeplanung am besten in Angriff nehmen können. 

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