Rasant fährt Marco auf seinem Elektro-Scooter um die Ecke und grüsst mit einem breiten, ansteckenden Lachen. «Ich hab extra etwas früher Feierabend gemacht, damit ich pünktlich da bin», sagt er fröhlich. Seine positive Art macht den jungen Mann zu einem angenehmen Gesprächspartner. Und seine Pünktlichkeit gibt keinen Anlass zu Vermutungen, er könnte etwas nicht im Griff haben. Doch bis vor einigen Monaten steckte Marco im Schlamassel: offene Rechnungen, zahlreiche Mahnungen, drohende Betreibungen, wachsender Schuldenberg.
Was Hänschen nicht lernt ...
Finanzielle Probleme und Schulden können vielerlei Gründe haben. Bei einigen sind es ein teures Hobby oder verlockende Kredite, die nicht abbezahlt werden können, bei anderen schlicht ein Unvermögen, die finanzielle Situation selber zu organisieren. Bei Marco war es Letzteres, und bestimmt ist er damit nicht alleine. «Ich habe einfach nie gelernt mit Geld umzugehen. Schlimmer noch, ich wusste gar nichts über all die Rechnungen, die ich hätte bezahlen müssen.» Krankenkasse, Arztrechnungen, Natel oder Steuern – wie viel diese Dienstleistungen und Obligatorien kosten, und dass sie monatlich, quartalsmässig oder jährlich beglichen werden müssen, das lief irgendwie an ihm vorbei. Er wurde nie mit diesen Themen konfrontiert, entsprechend sensibilisiert und informiert. «Meine Mutter hat selber Geldprobleme und hohe Schulden, sie schmiss die Rechnungen entweder gleich weg oder die blieben einfach ungeöffnet». Weder im Elternhaus also, noch im Wohnheim, welches vier Jahre sein zweites Daheim war, noch in der Schule war die Finanzkompetenz je ein Thema.
... lernt Marco halt jetzt
Während und nach der Ausbildung zum Koch häuften sich die Schulden langsam, aber sicher an. Nicht einmal weil Marco einen teuren Lebensstil verfolgte. «Ich kaufte mir eher neue Kleider oder machte mit der Freundin Ferien, als die Rechnungen und Schulden zu begleichen.» Konsequenzen wie Betreibungsandrohungen waren dennoch sehr unangenehm. Womöglich dachte er sich, bei seiner Mutter klappe es ja auch – irgendwie.
Schliesslich waren es seine Freundin und die gemeinsamen Zukunftsvorstellungen, die Marco wachgerüttelt haben. «Wir sind seit sechs Jahren zusammen, sie ist eine tolle Frau. Ich möchte einmal vier Kinder mit ihr und eine eigene Wohnung, will uns ein schönes Leben bieten können», erzählt er motiviert. Marco wurde klar, dass er diesen Traum mit Schulden im Schlepptau nie verwirklichen kann. Dank der Schuldenberatung Bern, mit deren Hilfe er seine Situation minutiös aufgearbeitet, ein Budget erstellt und eine sinnvolle Vorgehensweise erarbeitet hat, ist Marco nun auf gutem Weg. «In drei Jahren habe ich meine Schulden beglichen, werde ein wenig Erspartes auf der Seite haben – und kann mir zwischendurch sogar mal was leisten», sagt er stolz. Sein breites, ehrliches und offenes Lachen verrät die grosse Erleichterung.
Jugendverschuldung und Unterstützung
In der Schweiz hat jede/r fünfte Jugendliche finanzielle Probleme oder Schulden. Oftmals beginnt im bereits jungen Alter eine Verschuldungsgeschichte, die verhindert werden könnte. Ein kompensatorisches Verhalten mit übermässigem Konsum, Gruppendruck oder eine familiäre Veranlagung zur fehlenden Finanzkompetenz sind häufige Gründe dafür. Die Krankenkassen-Police beispielsweise lautet ab dem Tag der Geburt auf den Namen des Kindes. Können die Eltern die Prämien des Kindes nicht oder nur unregelmässig bezahlen, werden die Fehlbeträge kumuliert und gehen zu Lasten des Kindes, sobald es die Volljährigkeit erreicht. «Das bedeutet, die Jugendlichen stecken von einem Tag auf den anderen im Schuldenberg», so Olivia Nyffeler, Rechtsanwältin der Schuldenberatung Bern. «Aber auch wenn Kinder oder Jugendliche plötzlich mit Sachen und Kleidern nach Hause kommen, die sehr teuer sind, sollte man wachsam sein, gut beobachten und nachfragen».
Doch: Wie und wo können sich Betroffene oder Angehörige Unterstützung holen? «Bei Rechtsfragen rund um Mahnungen oder Zahlungen kann die Rechtsschutzversicherung oder Schuldenberatungsstelle weiterhelfen», so Olivia Nyffeler. Bei erzieherischen Fragen und Schwierigkeiten, die Problematik anzusprechen oder selber zu lösen, helfen Familienberatungsstellen.
Wer seine Kinder oder Schülerinnen und Schüler zum Thema Finanzen sensibilisieren möchte, findet Unterstützung und Informationen bei der Budgetberatungsstelle Frauenzentrale Bern oder der Initiative Jugendlohn.
Umgang mit Geld spielerisch lernen
Auch die BEKB engagiert sich für die Förderung der Finanzkompetenz von Jugendlichen. Zusammen mit 23 weiteren Kantonalbanken wurde das Projekt Finance Mission gestartet, um Jugendliche im sinnvollen Umgang mit Geld zu sensibilisieren. Das Angebot umfasst ein Digitales Lernspiel als kostenlose App für das Smartphone und den Computer sowie didaktisches Begleitmaterial.
Veranstaltungen für Eltern und Lehrpersonen
Ein weiteres Engagement der BEKB zur Stärkung der Finanzkompetenz von Kindern und Jugendlichen sind finanzspezifische Infoanlässe. Im Zusammenarbeit mit dem «Chindernetz Kanton Bern» unterstützen wir Elternanlässe zum Thema Jugendlohn. Für Schulen und Lehrpersonen bieten wir zudem drei Ausbildungsmodule à je 45 Minuten zu den Themen Jugendverschuldung, Bankwesen und Budgeterstellung an.
*Name geändert
Publikationsdatum: 20.11.2020