Frau Sperry, zur Kunst wie zur Welt der Banken gibt es gewisse tradierte Vorstellungen. Persönlich assoziiere ich die Kunstwelt mit absoluter Freiheit im Ausdruck, mit Offenheit, auch mit Chaos. Passt denn das zu einer Bank?
Für mich passt das in jeder Hinsicht, ja. Die Welt der Kunstschaffenden kann frei, offen oder chaotisch sein. Doch wir dürfen dabei nicht vergessen, dass das Kunstschaffen harte Arbeit ist. Zudem hat Kunst auch einen materiellen Aspekt und kann Wertanlage sein. Früher war es so, dass Kunstwerke von Banken sogar direkt in Zahlung genommen wurden – zum Beispiel, um die Raten für einen Kredit zu begleichen. Ferner ist Kunst für Anlageberatende ein 'alternatives Asset' – wie zum Beispiel auch Gold – mit dem man sein Vermögen diversifizieren kann. Bei der BEKB hat Kunst jedoch ganz bewusst nicht diese Funktion.
Welche Funktion erfüllt sie denn dann?
Wir engagieren uns als Kantonalbank für die Förderung der nationalen Kunstszene sowie auch jener in unserem Wirtschaftsraum. Mit sorgfältig ausgewählten Kunstwerken verleihen wir unseren neu gestalteten Standorten ein individuelles Gesicht. Und wir sehen die dort ausgestellte Kunst als Geste der Wertschätzung – gegenüber unseren Mitarbeitenden, wie auch gegenüber unserer Kundschaft. Aktuell verfügen wir über rund 2000 Kunstwerke sowie mehrere Kunst-am-Bau-Installationen. Die Formate reichen von Kleinstwerken bis hin zu Arbeiten, die rund 3 Meter hoch sind, wie beispielsweise der Holzschnitt von Franz Gertsch am Standort Bern Bundesplatz. Preislich bewegen sich die Kunstwerke zwischen wenigen hundert Franken bis in den sechsstelligen Bereich.
Franz Gertsch hat Holzschnitte kreiert, die kaum von einer Fotografie zu unterscheiden sind. Diese Liebe zum Detail macht Eindruck. Handkehrum hört man manchmal den Spruch «das könnte ich auch», wenn die Menschen etwa ein rotes Quadrat auf weissem Grund betrachten. Kommt Kunst von «können»?
Nein, das tut sie – für mich – definitiv nicht. Kunst ist eine sehr persönliche Form des Ausdrucks. Künstlerinnen und Künstler drücken mit ihren Werken zum Beispiel eine Idee aus, offenbaren ihre Befindlichkeiten, zeigen ihren Blick auf die Welt – der auch durchaus politisch oder kritisch sein kann. Sie setzen sich mit Fragen der Arbeits-(bedingungen), der Rolle der Familie, mit Krieg und Frieden, Wohlstand oder Armut und vielem mehr auseinander. Alles Themen, die uns als Gesellschaft betreffen und beschäftigen. Das «Können» spielt sicher insofern mit rein, als dass das Kreieren von Kunst eine passende Idee und gewisse handwerkliche Fertigkeiten erfordert. Die meisten Kunstschaffenden haben ausserdem ein mehrjähriges Studium absolviert. Doch das alles macht nicht die zentrale Qualität von Kunst aus.
Worin besteht denn dann die zentrale Qualität von Bildern und Installationen?
Vielleicht darin, dass die Kunst selbst sehr viel kann, nicht nur die/der Kunstschaffende: Ein Kunstwerk kann durchaus erfreuen, ohne dass der Grund dafür einem bewusst sein muss. Sie kann in Sekunden ein Gefühl auslösen, das stunden- oder tagelang anhält. Kunst kann uns als Gesellschaft zum Denken anregen, uns neue Horizonte eröffnen oder unsere tradierten Werte hinterfragen. Sie kann uns zudem mit neuen Denkweisen bereichern, so dass wir gewisse Themen plötzlich mit anderen Augen betrachten. Kunst kann und soll zudem irritieren, provozieren, vielleicht sogar öffentlichen Anstoss erregen. Dadurch kann sie gewisse Themen nämlich erst aufs Tapet bringen und uns mit der Frage konfrontieren 'was ist mir in dieser Welt wichtig?'.Können Sie ein persönliches Beispiel nennen, wo so etwas mit Ihnen geschehen ist?
Ich glaube, das passiert mir immer wieder. Im Tresorvorraum im Bieler Standort hat es beispielsweise zwei grosse, raumspezifische Installationen. Eine davon ist von Beatrix Sitter-Liver, einer Berner Künstlerin mit Jahrgang 1938. Auf den ersten Blick sehen wir als Betrachtende vor allem organische Materialien und Gebrauchsgegenstände, welche die Künstlerin in einer Glasvitrine präsentiert. Es sind Dinge, denen wir in unserem Alltag wenig Wert zuschreiben. Doch gerade den Standort des Werks in einer Bankfiliale – und insbesondere vor einem Tresor – finde ich äusserst spannend. Denn dort werden genau gegenteilige Gesetzmässigkeiten erwartet. So stellt Sitter-Liver mit ihrem Ansatz Fragen nach der Wertigkeit: Warum hat etwas einen Wert – und wer bestimmt diesen? Ist der Wert einer Banknote etwa reine Projektion? Solche Fragen können auch dann auftauchen, wenn die BEKB ein Kunstwerk ankauft. In den Momenten des Übergangs und Austauschs geschehen diese Wertzuschreibungen. «Be-Wertungen» sind aber stets zeit- und kontextabhängig. Auf sehr vielschichte und gleichzeitig spielerische Art regt die Arbeit von Sitter-Liver deshalb zum Denken an.
Wie wird man denn eigentlich Kuratorin bei der BEKB?
Ich habe im Master Kulturwissenschaften studiert und anschliessend in unterschiedlichen Institutionen als Kuratorin gearbeitet. Weil ich immer mehr freie Aufträge bekam, lockte mich der Gang in die Selbständigkeit. Bei der BEKB habe ich ein Teilzeitmandat inne, das sich zwischen 20 und 30 Prozent bewegt. Die Bank hat mich besonders darum gereizt, weil sie ein Ort fernab des 'Kunstkuchens' ist. Eine Welt, die einer ganz anderen Logik folgt – wo aber genauso viele mögliche kunstinteressierte Menschen verkehren.
Nehmen wir an, ich möchte mein Erspartes investieren. Nun besuche ich die BEKB am Bundeplatz ja vor allem mit dieser Absicht – und nicht als Kunstgeniesser. Wie wollen Sie denn die vielen Kunstwerke in den BEKB-Standorten der Laufkundschaft näherbringen?
Da gibt es diverse Möglichkeiten. Zum einen werden wir von Kundinnen und Kunden bereits direkt auf Kunstwerke angesprochen, die sie am Ort der Beratung vorfinden. Da kann es schon mal sein, dass das Gespräch von den Finanzen plötzlich zum Gespräch «über Gott und die Welt wird». Zum anderen organisieren wir Führungen in einzelnen Standorten, die sich auch an eine interessierte Kundschaft – oder an Nichtkunden/innen – richtet. Ausserdem entwickeln wir gerade eine digitale Lösung, mit der sich die Mitarbeitenden über die Kunst am jeweiligen Standort der BEKB informieren und dieses Wissen weitergeben können.
Und wenn mir der reine Blick auf die Kunst nicht mehr reicht? Kann ich in einen BEKB-Standort gehen, bezahlen und mein neues Kunstwerk gleich hinten in den Kombi laden?
Nein, die BEKB betreibt keinen Kunsthandel. Was in den Standorten hängt, bleibt auch dort. Einzig für die Mitarbeitenden der BEKB gibt es einmal im Jahr eine Ausnahme: Jeweils kurz vor Weihnachten machen wir einen Rampenverkauf mit ausgewählten Bildern aus dem Depot. Dort können kunstbegeisterte Mitarbeitende dann Kunstwerke zu Preisen zwischen CHF 50 und 500 erstehen. Als originelles Weihnachtsgeschenk, zur Verschönerung der eigenen Wohnung – und immer auch zur Freude der regionalen Kunstschaffenden.