Herr Beer, die BEKB gratuliert Ihnen herzlich zum Berner Unternehmenspreis Klima und Energie 2023. Sie wurden für ihre innovativen Lösungen in gemeinschaftlichem Wohnen und energieschonendem Bauen ausgezeichnet. Kann Bauen überhaupt energieschonend sein?
Wir bauen mit Holz und sparen dadurch nicht nur Energie, wir tragen auch zum Klimaschutz bei. Holz ist der am häufigste genutzte nachwachsende Rohstoff auf der Welt. In verbautem Holz bleibt das CO2 über Jahrzehnte im Gebäude gebunden und dient somit als CO2-Senke. Holz braucht im Vergleich zu Beton und Stahl viel weniger Energie für die Gewinnung und die Verarbeitung. Ausserdem sind die Transportwege kürzer. Insgesamt ist Bauen mit Holz daher sehr energieschonend.
Verwenden Sie beim Bauen immer Schweizer Holz?
Wenn möglich verwenden wir Schweizer Holz, ansonsten Holz aus unseren Nachbarsländern. Der Anteil an Schweizer Holz am gesamten verbauten Holz in der Schweiz macht etwa 30 Prozent aus. Man könnte die Nutzung zukünftig um ungefähr 20 Prozent steigern. Allerdings müssten dann auch mehr Verarbeitungskapazitäten aufgebaut werden. Heute ist es aus wirtschaftlichen Gründen schwierig, neue Sägereien zu bauen. Es ist sinnvoller, bestehende Sägereien zu vergrössern. Dies braucht allerdings Zeit.
Werden unsere Wälder nicht übernutzt, wenn noch mehr Holz geerntet wird?
Heute sind viele Wälder überaltert. Die Trockenheit infolge des Klimawandels setzt den Bäumen zu. Insbesondere die Fichte, die aufgrund der vielseitigen Verwendbarkeit des Holzes als "Brotbaum" der Forstwirtschaft gilt, ist gefährdet. Junge Bäume sind viel vitaler und weniger anfällig auf Borkenkäfer und Krankheiten. Die Holznutzung kann also dazu beitragen, den Wald umzubauen, indem ältere Bäume geerntet und junge gepflanzt werden.
Sie haben in Biel mitten in der Stadt das «Maison Climat» gebaut. Mit dem Nachhaltigkeitsgedanken im Kern ist das Mehrfamilienhaus ein Leuchtturmprojekt in Zeiten der Klimakrise. Was zeichnet dieses Haus aus?
Das Plusenergiegebäude ist ein Minergie-A zertifizierter Holzbau mit maximaler Dämmung und hohem Schallschutz. Somit produziert das Gebäude jährlich mehr Energie als es verbraucht. Geheizt wird mit Erdsonden-Wärmepumpe und Bodenheizung. Im Sommer werden die Böden unter Raumtemperatur gekühlt und entziehen dem Raum Wärme.
Das Mehrfamilienhaus mit 20 Wohnungen ist zwar relativ klein dimensioniert, es bietet aber höchsten Wohnkomfort und nimmt Rücksicht auf die Bedürfnisse der verschiedenen Altersgruppen. Und genau das sind wichtige Fragen beim Bauen: Wie viel Wohnraum braucht der Mensch eigentlich und wofür? Vorher standen auf der gleichen Parzelle nur 12 Wohnungen. Indem Wohnflächen auf das Wesentliche reduziert werden und dafür gemeinschaftliche Wohnflächen gefördert werden, wird der Wohnraum attraktiver und günstiger. Dies ist insbesondere im urbanen Raum zukünftig enorm wichtig.
Sie sind also überzeugt, dass verdichtetes Bauen die Baulösung der Zukunft ist?
Genau. Schauen Sie sich unser Gebäude in Ostermundigen an. Früher stand hier ein Gebäude mit 2000 Quadratmetern Nutzfläche. Heute sind wir auf dem gleichen Grundstück mit 6000 Quadratmetern Nutzfläche und verbrauchen deutlich weniger Energie als vorher. Im Gebäude befinden sich vier Wohnungen, drei Firmen sowie ein Eventraum. Verdichtetes Bauen und die multifunktionale Nutzung von Gebäuden bieten in der Schweiz zukünftig ein grosses Potential und sind wichtig, um den Ressourcenverbrauch im Gebäudesektor zu reduzieren.
Was kostet ein Holzbau im Vergleich zu einem Massivbau?
Es hängt davon ab, welchen Preis wir betrachten. Schauen wir nur die Baufinanzierung oder den gesamten Lebenszyklus eines Hauses an? Der Betrieb ist für uns ganz wesentlich: Wenn wir bauen, dann wollen wir gut bauen. Wir setzen uns für möglichst gute Gebäudehüllen mit möglichst wenig Energieverbrauch ein. Dadurch haben wir etwas höhere Investitionskosten, dafür niedrigere Betriebskosten. Dies zahlt sich langfristig aus.
Im Spekulationsbau geht es heute bedauerlicherweise immer noch darum, eine möglichst günstige Bausubstanz anzubieten. Schlechte Gebäudehüllen und fehlende Photovoltaik-Anlagen führen zu höheren Nebenkosten im Betrieb. Dies habe ich auch schon oft mit Banken diskutiert. Es wäre nachhaltiger und auch für die Banken attraktiver, wenn man sowohl die Investitionskosten als auch die Betriebskosten betrachten würde.
Was ist die grösste Herausforderung für Ihr Unternehmen?
Eine grosse Herausforderung ist für uns die steigende Nachfrage nach Holz. Der Bund hat in den letzten Jahren Wärmeverbunde stark gefördert. Dadurch wird immer mehr Holz für die Verbrennung benötigt. Es ist wichtig, dass diese Fördergelder nicht falsche Anreize schaffen. Als natürliche Ressource ist Holz zwar nachwachsend, die Anbauflächen und Zuwachsraten sind allerdings begrenzt. Deshalb ist die Kaskadennutzung und Kreislaufwirtschaft bei der Nutzung von Holz äusserst wichtig: Holzprodukte sollten in zeitlich aufeinanderfolgenden Schritten so lange wie möglich stofflich genutzt werden und erst am Ende des Produktelebenszyklus energetisch verwertet werden. Nur so können wir einen verantwortungsbewussten und nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen garantieren und die CO2-Bilanz verbessern.
Für die meisten KMU stellen der Fachkräftemangel und die Digitalisierung grosse Herausforderungen dar. Dies scheint bei Ihnen nicht der Fall zu sein?
Die Holzbaubranche ist im Bereich der Digitalisierung sehr weit fortgeschritten. Bereits vor 30 Jahren wurden Arbeitsschritte am Computer geplant. Mit der Bauwerksdatenmodellierung (BIM) wenden wir heute eine Methode an, mit der die gesamte Planung, der Bau und die Bewirtschaftung des Gebäudes mithilfe von Software umgesetzt wird. Dabei werden alle relevanten Bauwerksdaten digital modelliert, kombiniert, erfasst und geometrisch visualisiert. Es gibt viele Baufirmen, die noch nicht gewohnt sind, so zu arbeiten. Deshalb übernehmen wir oft eine ganz zentrale Rolle im Bau. Manchmal läuft die gesamte Koordination der Haustechnik eines Gebäudes nicht beim Planer, sondern bei uns. Dies ist auch der Grund, warum die Holzbaubranche für junge Leute interessante Zukunftsperspektiven bietet: Wir sind digital und nachhaltig unterwegs.
Zusätzlich investieren wir aber auch sehr viel in die Ausbildung und Weiterbildung unserer Mitarbeitenden. In unserem Betrieb arbeiten bis zu 17 Lernende. Bei uns kann jeder, der schnuppern möchte, vorbeikommen. Die meisten Lernenden bleiben nach dem Abschluss bei uns. Auch unsere Praktikantinnen und Praktikanten, die eine Weiterbildung im Bereich Holzbautechnik oder Planung machen, kommen später oft zu uns zurück. Wir sind vom Fachkräftemangel nicht betroffen.
Wo können Sie noch besser werden?
Wir möchten den Vorfertigungsgrad noch weiter erhöhen. Baustellen sind viel schwieriger überwachbar und haben eine Eigendynamik. Auf den Baustellen ist man Wetter und Temperaturen ausgesetzt. Ausserdem ist man abhängig von anderen Firmen und der Koordination vor Ort, die nicht immer sauber läuft. Wir möchten deshalb so viel wie möglich bei uns in der Werkhalle vorfertigen – im Trockenen und bei geordneten Verhältnissen. So können wir auch Transporte vermeiden. Dadurch sinken die Kosten und das Produkt kann insgesamt günstiger hergestellt werden.
Was wünschen Sie sich zukünftig für den Wirtschaftsstandort Bern?
Ich wünsche mir bessere Rahmenbedingungen für KMU und eine Regierung, die das Gewerbe mehr unterstützt. Das System in unserem Kanton ist im Vergleich zu anderen Kantonen träge. Vor Corona dauerte die Frist für ein Baubewilligungsverfahren zwei bis vier Monate, heute dauert sie sechs bis sieben Monate. Manchmal verstreichen bis zu zwei Jahre für eine Bewilligung. Für Unternehmen, die sich im Kanton ansiedeln möchten, ist dies ein beträchtliches Risiko. Mit unternehmerischem Denken und Handeln in Politik und Verwaltung könnte sich der Kanton Bern beim Gewerbe und in der Industrie vermehrt als Partner und Unterstützer positionieren.
Publikationsdatum: 20.11.2023